Muss eine Deutsche unbedingt über Auschwitz nach Israel reisen?
Es ist hin und wieder schwer nachvollziehbar, warum Arte den Ruf geniesst,
Qualitätsfernsehen zu betreiben.
Der Beitrag "Mit dem Zug durch Israel" vom 21.10.2011 übertrifft in seiner Peinlichkeit sogar manche Sendungen des Privat-TV. Hier wird dem billigen Journalismus ein noch schlechterer Name gemacht: http://videos.arte.tv/de/videos/mit_dem_zug_durch_-4205850.html.
Der Beitrag "Mit dem Zug durch Israel" vom 21.10.2011 übertrifft in seiner Peinlichkeit sogar manche Sendungen des Privat-TV. Hier wird dem billigen Journalismus ein noch schlechterer Name gemacht: http://videos.arte.tv/de/videos/mit_dem_zug_durch_-4205850.html.
Es ist nicht nur so, dass der Dokumentarfilm herzlich wenig
mit der israelischen Eisenbahn zu tun hat, sondern er strotzt vor seltsamen
Feststellungen und zeugt von einer oberflächlichen Recherche sowie einem unlogischen
Aufbau.
Die deutsche Filmautorin Grit
Merten vom SWR-Eisenbahn-Romantik-Team, dessen Werke
ansonsten sehr professionell sind und mir immer grosse Freude bereiten, geht
diesmal auf nostalgische philo-israelische Sühnesuche nach einer bedeutungsschwangeren
alten deutschen Rangierlokomotive, die Israel in den späteren 50er-Jahren im
Rahmen der sogenannten Wiedergutmachung geschenkt worden war.
Deutz-Diesellok im israelischen Bahnmuseum, Haifa |
Anstatt direkt ins Bahnmuseum in Haifa zu fahren (zu Angaben
und Foto der Lok gelangt man mühelos via Wikipedia-Eintrag der israelischen
Bahnbetriebe bzw. über die Museum-Website),
reist die Dokumentarfilmerin zuerst ans Tote Meer und zur Klagemauer in
Jerusalem. Dort kann man allerlei schon tausendfach Gefilmtes entdecken,
bestimmt aber keine alte Lokomotive.
Den unschlagbaren Höhepunkt erreicht der Film mit der Behauptung des interviewten israelischen Historikers Jakob Eisler, dass in den 50er-Jahren nicht in die israelische Bahn investiert worden sei, weil Shoa-Überlebende damals angeblich dagegen gewesen wären: Sie hätten Mühe mit der Eisenbahn gehabt, da diese schreckliche Erinnerungen hervorrufe.
Ich bezweifle nicht, dass Züge, und im Speziellen Güterwagen, bei manchen stark traumatisierten Überlebenden auch tatsächlich lange Zeit grausame Assoziationen weckten. Dass aber gerade die - vor allem in den 50er Jahren - in Israel oft verachteten Überlebenden je einen grossen Einfluss auf die dortige Politik und gesellschaftliche Werte hatten, ist jedoch absolut realitätsfremd. Die abenteuerliche Behauptung des Geschichtlers gefiel der schuldwilligen Deutschen aber so gut, dass sie sie in ihrem Film - ohne unterstützende Recherche - gleich noch zwei weitere Male wiederholen liess.
Den unschlagbaren Höhepunkt erreicht der Film mit der Behauptung des interviewten israelischen Historikers Jakob Eisler, dass in den 50er-Jahren nicht in die israelische Bahn investiert worden sei, weil Shoa-Überlebende damals angeblich dagegen gewesen wären: Sie hätten Mühe mit der Eisenbahn gehabt, da diese schreckliche Erinnerungen hervorrufe.
Ich bezweifle nicht, dass Züge, und im Speziellen Güterwagen, bei manchen stark traumatisierten Überlebenden auch tatsächlich lange Zeit grausame Assoziationen weckten. Dass aber gerade die - vor allem in den 50er Jahren - in Israel oft verachteten Überlebenden je einen grossen Einfluss auf die dortige Politik und gesellschaftliche Werte hatten, ist jedoch absolut realitätsfremd. Die abenteuerliche Behauptung des Geschichtlers gefiel der schuldwilligen Deutschen aber so gut, dass sie sie in ihrem Film - ohne unterstützende Recherche - gleich noch zwei weitere Male wiederholen liess.
Da mein Vater, der, im Unterschied zu seinen Eltern und
anderen Verwandten, Deutschland noch rechtzeitig verlassen hatte, im Beschaffungswesen
des israelischen Bahnbetriebs arbeitete, war ich schon als Kind in den
50er-Jahren bahnbegeistert. Ich mag mich an überfüllte Züge auf den wenigen
Strecken erinnern, und dass jede Fahrt ein Erlebnis war und zum Teil immer noch
ist. Von einem Mangel an Kundeninteresse kann also keine Rede sein. Besonders präsent
ist mir eine lange Schulreise mit dem Zug von Haifa nach Jerusalem. Obwohl mehr
als die Hälfte meiner Kameraden Kinder von Überlebenden waren, wurde keinem der
mehrtägige Ausflug verboten. Und unsere Lehrerin träumte davon, dass wenn der
Staat zehn Jahre alt sei, es 1958 vielleicht sogar einen Zug nach Eilat im
Süden geben werde.
Ich weiss aus eigener Erinnerung, und die Suche im Internet
bestätigt es, dass die gängige Erklärung für die langjährige Vernachlässigung
der Bahn eine ganz andere ist als die dem Fernsehpublikum vorgegaukelte: Vordergründig
wurde die Verkehrspolitik durch vermeintliche militärische Überlegungen
geprägt. Es wurde argumentiert, dass bei der
prekären Lage Israels Bahnlinien für Angriffe zu starr und exponiert seien und viel
weniger Flexibilität als Busse und Lastwagen böten. Es war jedoch
offensichtlich, dass die Busgesellschaften über eine unglaublich starke Lobby verfügten
und sie deshalb die Prioritäten zu Ungunsten des Schienenverkehrs weitgehend
diktieren konnten.
Die peinliche leichte Bereitschaft
der deutschen Filmemacherin, die unfundierte Aussage des israelischen Historikers
- ohne diese überhaupt in Zweifel zu ziehen und zu überprüfen - zu glauben, ist
sehr bezeichnend und zeigt einmal mehr, wie falsch und schlecht die
Verarbeitung des NS-Judeozids oft noch läuft.
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Wie ein kritischer Beitrag
über die Bahngeschichte Israels aussehen könnte, zeigt der israelische
Filmemacher Tsur Shezaf. Sein fröhlicher und humorvoller Streifen ist zwar
mehrheitlich in Hebräisch (mit einigen wenigen englischen Passagen), die
bewegten Bilder könnten jedoch das Auge eines jeden internationalen Bahnfans
erfreuen: "Journeyalong the Rails"
Lieber Shraga,
ReplyDeletefein geschrieben, gut gekontert, nur auf die Eisenbahn nach Eilat warten wir leider immer noch. Kann ja noch werden ...
herzlichst aus Heidelberg, Johannes Heil
Danke, lieber Johannes.
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