Monday, March 14, 2016

Was steckt hinter der Absicht, gleich zwei langjährige türkische Läden im Kreis 5 zu schliessen?



Am 10. März veröffentlichte der Tages-Anzeiger einen Bericht über die drohende Schliessung zweier türkischer Läden im Zürcher Industriequartier. Da von der Hausverwalterin Wincasa keine überzeugende Begründung für den Schritt vorliegt, wird spekuliert, dass dahinter Gentrifizierung steckt. Naheliegender wäre es jedoch, hierin einen rassistischen Hintergrund zu sehen, da gegen einen der betroffenen Läden schon einmal Stimmung gemacht worden war.

Der EGE Market an der Josefstrasse 53 war 1989 fast ein Geheimtipp unter Migranten aus dem Nahen Osten wie mich. Denn dort konnte man anständige und günstige Döner-Kebab und andere türkische Köstlichkeiten konsumieren, was damals nur noch im überteuerten, qualitativ weniger guten Restaurant 1001 im Niederdorf möglich war. Im Laden wiederum gibt es türkische und arabische Lebensmittel, die mein kurzes, aber heftiges kulinarisches Heimweh nach Israel zu stillen vermögen. Bis heute geniesse ich im Restaurant  Spezialitäten wie Bamia (Okra), die zwar nicht an die Kochkünste meiner Mutter heranreichen, aber es übersteigt meiner Fähigkeit, dieses schwierige Gemüse gebührend zu behandeln.

Als Quartierbewohner konnte ich über die Jahre beobachten, wie EGE wuchs: Die Imbiss-Bude mutierte zu einem kleinem Restaurant, das eher bescheidene Lebensmittelgeschäft wurde zu einem Supermarkt aufgewertet, welcher nicht nur eine prima Halal-Metzgerei und Bäckerei umfasst, sondern auch ein unvergleichliches Angebot an türkischen und arabischen Oliven und anderem eingemachtem Gemüse sowie die speziellen Nudeln
kadayıf zur Herstellung der wunderbaren arabisch-türkischen warmen Süssspeise Knafeh. Die Preise sind nicht zwingend die niedrigsten, und das Sortiment von EGE spricht auch gehobene hiesige Kundenwünsche an.

Offenbar haben nicht alle Nachbarn an dieser Entwicklung Freude,  und deshalb war es auch nicht sonderlich überraschend, dass in einem Bericht des Schweizer Fernsehens von 2012 fremdenfeindliche Stimmen zu hören waren. Es sind Personen, die sehr lange im Quartier wohnen. Aber anstatt gegen die zunehmende Gentrifizierung zu protestieren, machen sie Ausländer für den Wandel verantwortlich. Fast witzig der Nachbar
Markus Koller, der über EGE schimpfte und gegen zuviele ausländische Läden hetzte. Selber vermietet er seine sehr altmodische und museumsreife Molki, welche gegenüber vom türkischen Laden lag, an einen Schickimiki-Brillen-Laden. Dabei bekam er seinerzeit viele Angebote von Interessenten, die in seiner Molkerei weiterhin ein Lebensmittelgeschäft betreiben wollten! Aber die waren halt Ausländer…


 


Diese fremdenfeindlichen Stimmen erwecken den naheliegenden Verdacht, dass sich Ähnliches auch bei den Rausschmissbestrebungen gegen die zwei türkischen Läden wiederholt, die ja schon jetzt genug Miete bezahlen. Eine Mietzinserhöhung sei im Moment zudem auch gar kein Thema.
Vor etwa 10 Jahren wurde Erol sogar von der damaligen Wincasa-Bewirtschafterin S.Z. dazu aufgefordert, seinen Laden zu erweitern und das benachbarte Schallplattengeschäft zu übernehmen. Nach kurzer Überlegung beschloss er, diesen Schritt zu wagen und investierte fast eine Million Franken in den Umbau.

Sein Mietvertrag war zwar immer auf fünf Jahre befristet, er wurde aber jeweils bis 2013 ganz selbstverständlich verlängert. Für jenes Jahr versäumte er es, den Mietvertrag rechtzeitig zu verlängern,  worauf ihm am 4. Februar 2013 – ohne Mahnung oder Erinnerung – von Wincasa mitgeteilt wurde, dass das Mietverhältnis ohne Kündigung als aufgelöst zu betrachten sei und er das Lokal bis 30. September 2013 zu räumen habe.
Erols Bemühungen, den Vertrag doch zu verlängern, scheiterte
n, und dies, ohne jegliche einleuchtende Begründung von Wincasa. Die Schlichtungsbehörde erstreckte das Mietverhältnis am 2. Juli 2013 in einer Art salomonischen Urteils um zwei Jahre und drei Monate bis zum 31. Dezember 2015. Seither ist der Fall beim Obergericht hängig.

Sind nun auch andere fremdländische Geschäfte im Quartier bedroht?





1 comment:

  1. Ja, den Rassismus müssen wir im Auge behalten und wachsam sein. Werden Sie Mitglied vom Forum 5im5i und bringen Sie Ihre Anliegen ein. Danke für Ihre Recherchen. Kontakt: info@5im5i.ch

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