Tuesday, December 15, 2009

Offener Brief an Herrn Prof. Georg Kreis: Bitte treten Sie nicht zurück!



Lieber Georg Kreis,

mit Entsetzen las ich, dass Sie dem Druck nachgeben wollen und trotz oder vielleicht gerade wegen den peinlichen historischen Unkenntnissen der SVP und einigen Nationalräten Ihrer eigenen Partei das EKR-Präsidium abgeben wollen.

Im «Club» des Schweizer Fernsehens vom 8.12.2009 sagten Sie Nationalrat Christoph Mörgeli:

«Als Historiker oder sagen wir unter Historikern:

Wenn eine SVP in den Dreissigerjahren eine Initiative gemacht hätte gegen die Verjudung der Schweiz - das ist nämlich ein Parallelvorgang wie die Islamisierung der Schweiz, obwohl es keine Probleme gibt -, dann hätte in der damaligen Zeit, auch wegen der Ängste, der berühmten Ängste und der Wirtschaftskrise, die damalige SVP unter Umständen auch ein solches Resultat hingekriegt und wir hätten jetzt ein Problem ...» (Siehe http://videoportal.sf.tv/video?id=d4570f4d-f35e-46a1-b6c3-b32f6eedfe36 ab Min. 49:13 oder hier direkt diesen Ausschnitt: http://www.youtube.com/watch?v=RZk7KyDylf8)

Am 10. Dezember 2009 forderte die SVP Bundesrat Didier Burkhalter auf, sich für die Amtsenthebung von Ihnen als Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus einzusetzen. Denn Sie hätten (vermeintlich) die Stimmberechtigten im Rahmen einer Fernsehsendung grob verunglimpft und seien deshalb als Kommissionspräsident nicht länger tragbar.

Die böswillige und peinliche Ignoranz, die die SVP-Führung in diesem Fall demonstriert, kommt klar zum Ausdruck in der folgenden Feststellung:

«Mit dieser Behauptung unterstellt Prof. Kreis, dass eine Mehrheit der schweizerischen Stimmbevölkerung in den 1930er Jahren bereit gewesen wäre, antisemitische Massnahmen mitzutragen, vergleichbar den Repressalien, unter welchen die jüdische Bevölkerung im nationalsozialistisch regierten Deutschland zu leiden hatte. Ganz zu schweigen von der Unterstellung, es handle sich bei der SVP und deren Wählern sowie den Befürwortern der Minarettverbotsinitiative um eine Masse an potentiell fremdenfeindlich resp. rassistisch votierenden Bürgerinnen und Bürgern.» (http://www.svp.ch/display.cfm/id/101054)

Tatsache und keine wilde Spekulation ist - wie ich kürzlich auf meinem Blog schrieb:

«Die restriktive Flüchtlingspolitik, die eben die «Verjudung» der Schweiz verhindern wollte, machte eine Initiative in diesem Sinne völlig überflüssig, und eine Initiative gegen die antijüdischen Restriktionen wurde ja nicht lanciert.» http://shraga-elam.blogspot.com/2009/12/die-angste-vor-der-verjudung-der.html

Als also die Schweiz 1938 von einer Welle von jüdischen Flüchtlingen "bedroht" war, beschloss der Bundesrat verschiedene Massnahmen, um diese "Gefahr" abzuwenden. Damit war eine anti-Verjudungsinitiative gar nicht nötig.

Keine neue Geschichtsschreibung kann diese Tatsache ändern. Dies bedeutet jedoch bei weitem nicht, dass sämtliche SchweizerInnen hinter diesem Entscheid standen bzw., dass sie alle pro-Nazis waren. Dass der Judenhass damals sehr verbreitet war, ist ebenfalls eine Tatsache, was aber nicht heisst, dass die Mehrheit der SchweizerInnen die Judenvernichtung befürwortete und bewusst unterstützte. Die Schliessung der Schweizer Grenze für jüdische Flüchtlinge 1938 war eigentlich sogar gegen die Interessen der Nazis, die damals die Juden "nur" vertreiben wollten. Eine Tatsache, die, obwohl unter historischern Forschern kaum bestritten, dem breiten Publikum nicht bekannt ist.

Was eine bessere Information über den Zustand der Juden seinerzeit bewirkt hätte, bleibt zwar Spekulation, es ist jedoch anzunehmen, dass wenn damals mehr über die brutale Judenverfolgung bekannt gewesen wäre, sich mehr Eidgenossen für eine humanere Flüchtlingspolitik eingesetzt hätten. Eine ähnliche Schlussfolgerung bezüglich dem Islam liegt sehr nah. Wahrscheinlich wäre mit besserer und differenzierter Information über diese Religion und über die Muslime in der Schweiz ein anderes Abstimmungsresultat erzielt worden.

Ich hoffe nun sehr, dass Sie mehr Leute unterstützen und dass Sie Ihre Rücktrittsabsichten zurücknehmen werden.

Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Mut.

Beste Grüsse

Shraga Elam


 

Meine Texte zur Anti-Minarett-Initiative:

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