Monday, November 16, 2009

Eine Israelische Stimme zur Anti-Minarett-Initiative



Eine ultraorthodoxe Jüdin in Jerusalem. (Ha'aretz. Fotograf: Alex Levac)


Als säkularer Israeli, der seit mehr als 30 Jahren in der Schweiz lebt und sein Heimatland nicht zuletzt wegen dem dort wachsenden Rassismus verliess, blicke ich mit Befremden auf die Anti-Minarett-Initiative.
Nicht einmal in Israel, wo der Rassismus sogar eine gesetzliche Verankerung findet, werden Minarette verboten. Denn im Judenstaat per Definition sind nicht-Juden nicht gleichgestellt, und ausländische jüdische nicht-Bürger haben in bestimmten Bereichen mehr Rechte als nicht-jüdische israelische Bürger.

Natürlich gibt es in Israel immer wieder Reklamationen gegen Lärmemissionen durch Muezzine, die unmenschlich früh mit Lautsprechern zum Gebet rufen (was in der Schweiz ja verboten ist und nicht zur Diskussion steht). Ein ähnliches Problem existiert aber auch in der Schweiz mit Kirchenglocken, die von weitem wunderbar tönen, nicht so sehr aber in unmittelbarer Nähe. Gegen Kirchengeläut (das regelmässige Schlagzeichen zur Viertelstunde hat beispielsweise nicht einmal einen kirchlichen Hintergrund) gibt es immer wieder Einsprachen. Eine christliche Bekannte, die ganz in der Nähe der Kirche in der Zürcher Enge wohnt, wurde aber sehr schroff abgewiesen, als sie Unterschriften gegen das nächtliche Gebimmel sammelte.
Wo Kritik gegen den Islam berechtigt ist, könnte diese in der Regel auch an anderen Religionen ausgeübt werden. Denn bestimmte Auslegungen des Islams sind nicht blutrünstiger, rachsüchtiger, sexistischer oder fanatischer als die des Judentums und vor allem des Christentums.

Menschen, die konsequent und kompromisslos ihren Glauben – sei es religiös, politisch oder sozial – ausleben, faszinieren mich. Diese Faszination ist jedoch eine Mischung aus Bewunderung und Abscheu. Wenn ich beispielweise ultraorthodoxe Juden in Zürich sehe, denke ich, wie viel Kraft und Mut sie brauchen, um so viel spürbaren und offenen Hass zu schlucken, wie sie ihn zum Beispiel von Passanten auf der Strasse erfahren: Böse Blicke und blöde Sprüche gelten ja nicht nur verhüllten Musliminnen. Es braucht überdies auch eine grosse Überzeugung, um den verschiedenen Versuchungen und Annehmlichkeiten, die die moderne Gesellschaft bietet, zu widerstehen. Eine jüdische Weisheit lehrt: «Wer ist ein Held? Der, der seine
Triebe bändigt.» Ein Held ist entsprechend nicht bloss eine furchtlose Person, sondern jemand, der beispielsweise seine Angst überwindet oder einer Versuchung widersteht.
Anderseits gibt es genügend Darstellungen grausamer Unterdrückung und Gewalttätigkeit hinter den frommen Fassaden solcher Ghettos. In Israel gibt es reichlich Informationen über sexuellen Missbrauch, Repressionen gegen Frauen, kritische Gemeindemitglieder usw. Denn dort gibt es viele AussteigerInnen und sie unterstützende Organisationen, die ihre Erlebnisse veröffentlichen.
Das Hilfswerk "Bat-Melech" (Königstochter) behandelt beispielsweise das stark tabuisierte Thema Gewalt in der Familie (s. hier englische Berichte betroffener Frauen: http://www.batmelech.org/personal-stories-english.html

Solche Frauen diskriminierende Erscheinungen gibt es aber auch in aller Öffentlichkeit.

So schwelt seit einigen Jahren ein Konflikt in Israel, da Ultraorthodoxe mitunter auch durch Gewalt erzwingen wollen, dass Frauen und Männer in sogenannten 'Mehadrin'-Bussen getrennt sitzen müssen. Die nationale Busgesellschaft Egged machte bereits einen Kniefall vor diesen jüdischen Taliban (s. z.B. http://www.juedische-allgemeine.de/epaper/pdf.php?pdf=../imperia/md/content/ausgabe/2009/ausgabe10/05.pdf oder Jerusalem - Women Activists Protest on 'Mehadrin' Buses Against Gender-Segregation).

Offensichtlich betrachten gewisse religiöse Führer ihre männlichen Schafböcklein, die schon rein beim Anblick einer Frau in starke Versuchung geraten würden, nicht als Helden.

Neuerdings gibt es in ultraorthodoxen Quartieren Jerusalems eine Trennung auf den Gehsteigen. Auf der einen Strassenseite müssen Männlein, auf der anderen Weiblein gehen. Und all das ist schon gang und gäbe in einer kleinen US-Ortschaft unweit New Yorks namens New Square.
Ähnliche Zustände können aber auch bei verschiedenen christlichen Sekten beobachtet werden, welche die Befürworter der Anti-Minarett-Initiative, die angeblich um die Stellung der muslimischen Frauen besorgt sind, offenbar nicht stören. Diese Befürworter wollen ja kein ähnliches Verbot für Kirchtürme als Machtsymbole bzw. für Klöster als nicht "integrierte" Inseln in der Gesellschaft.

Dass ein Ort wie New Square in den USA existieren kann, ist ein lobenswerter Beweis für die herrschende Religions- und Meinungsfreiheit in den USA. Auch wenn die dortige Diskriminierung der Frauen stossend ist, so bleibt die verwerfliche öffentliche Trennung zwischen Männern und Frauen in solchen kulturellen Enklaven weitgehend Sache dieser Gesellschaft und rechtfertigt - genauso wie die Geschlechtertrennung in traditionellen Synagogen - keine staatliche Intervention.

Es ist eine falsche Auslegung der Integrationspolitik und der Meinungsfreiheit, die solche kulturellen Inseln verbieten möchte.

Es stellt sich bestimmt die Frage, wo die Grenzen der Religions- und Meinungsfreiheit liegen. Abgesehen von gewissen manifesten Grauzonen ist es klar, dass eine gesetzeswidrige Handlung, also ein Straftat, wie Mord, Vergewaltigung usw. eine eindeutige Grenzüberschreitung darstellt.

Der heftige innerjüdische Kulturkrieg in Israel zeigt auch auf andere Grenzen und mögliche Probleme der Religionsfreiheit, die keine einfachen Lösungen haben.

Bestimmte jüdische religiöse Kreise versuchen in Israel mit unterschiedlichem Erfolg, ihre Lebensweise anderen aufzuzwingen. Fast harmlos und weitgehend akzeptiert ist das Verkehrsverbot neben einer Synagoge am Samstag. Denn die religiösen Gefühle der Betenden würden sonst angeblich verletzt. Dies, obwohl ultraorthodoxe Juden an der bis auf kurzem sehr befahrenen Weststrasse in Zürich ihren Sabbat-Gottesdienst problemlos feiern können. Sogar die Eröffnung eines Parkhauses weit weg von ultraorthodoxen Quartieren führte kürzlich zu Strassenschlachten in Jerusalem. Jetzt demonstrieren dieselben jüdischen Fundis gegen Samstagsarbeit bei Intel in der heiligen Stadt.

Auch wenn es verständlich ist, dass säkulare Juden sich Sorgen um den freiheitlichen Charakter ihres Wohnorts machen, wenn mehr und mehr Ultraorthodoxe einziehen, kommt es auch zu regelrechten rassistischen Ausfällen, die im heutigen Europa zu Medienskandalen führen würden.

Hier zwei Beispiele von Wandbemalungen in Jerusalem: 



"Iran ist hier"





Die Sprayer-Zeichnung stellt einen Orthodoxen dar. Diese seien im Quartier nicht erwünscht, ist darunter zu lesen, wortwörtlich: (Ultraorthodoxe Juden -) "Nicht bei uns!"
Solche Verbote sind sicherlich nicht der Weg - weder in Israel noch in der Schweiz.

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1 comment:

  1. Goοd ωay of describing, and nice parаgraph to takе datа on the
    tοpic of my preѕentation subϳeсt, whiсh і am
    going to present in sсhool.

    My ωeb ρаge ... Gedichte zum Geburtstag

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