Viele Anhänger Bashar Assads wollen im syrischen Schlächter
und seiner Clique grosse Anti-Imperialisten sehen. Sie verschliessen deshalb ihre
Augen vor den grausamen Verbrechen dieses Regimes. Wie lächerlich ihr Glaube
ist, demonstriert schon die zweifelhafte Rolle seines Vaters im Junikrieg von
1967 (bekannt auch als Sechstage-Krieg).
Manchmal können sogar einfache Soldaten Erkenntnisse gewinnen, die grosse Experten gerne übersehen. Als solcher israelischer Frontsoldat war ich bei Kriegsausbruch, am 5. Juni im Wald auf einem Hügel unweit der Golanhöhen stationiert. Mit Ausnahme eines tieffliegenden syrischen Kampfflugzeugs, das ein anderes viel wichtigeres Ziel hatte, gab es bei uns an diesem Tag keine militärischen Ereignisse. Gegen Abend wurde unsere Division Richtung Westbank abkommandiert. Diese grosse Truppenverlegung ist zwar bekannt und auch dokumentiert, indes wird nicht erklärt, wie es dazu kam, dass das israelische Oberkommando die hellseherische Fähigkeit besass, um mit Sicherheit zu wissen, dass die syrische Armee nicht wirklich an den Geschehnissen teilnehmen würde. Die syrische Front wurde, abgesehen von eher symbolischen israelischen Truppen, praktisch ohne nennenswerte Abwehr exponiert. Hätte die syrische Armee angegriffen, so wäre die israelische Lage plötzlich äusserst prekär geworden. Kann es sein, dass die israelische Führung ein solch hohes Risiko auf sich nahm?
Es darf nicht vergessen werden, dass die Krise, die zum Krieg führte, wegen einer Spannung zwischen Israel und Syrien ausbrach. Der sowjetische Geheimdienst bekam eine falsche Information, nämlich, dass die israelische Armee angeblich Truppen an der syrischen Grenze konzentriere und vermeintlich einen Angriff plane. Um diese irrtümlich angenommene Gefahr abzuwenden und den Druck auf Syrien zu reduzieren, beschloss der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser zu Hilfe zu eilen, vertrieb deshalb die UNO-Truppen von der Halbinsel Sinai und stationierte seine Truppen dort. Dieser klare Verstoss gegen das Abkommen von 1957 benutzte die israelische Militärführung als Ausrede für einen Krieg, dies, obwohl – oder besser gesagt gerade weil – sie Bescheid wusste, wie desolat der Zustand der ägyptischen Armee war und dass diese Israel nicht gefährde: Also dass die scharfe verbale Drohgebärde Nassers absolut keine Deckung und die diplomatischen Bemühungen, die Krise zu entschärfen, eine sehr gute Chance hatten.
Manchmal können sogar einfache Soldaten Erkenntnisse gewinnen, die grosse Experten gerne übersehen. Als solcher israelischer Frontsoldat war ich bei Kriegsausbruch, am 5. Juni im Wald auf einem Hügel unweit der Golanhöhen stationiert. Mit Ausnahme eines tieffliegenden syrischen Kampfflugzeugs, das ein anderes viel wichtigeres Ziel hatte, gab es bei uns an diesem Tag keine militärischen Ereignisse. Gegen Abend wurde unsere Division Richtung Westbank abkommandiert. Diese grosse Truppenverlegung ist zwar bekannt und auch dokumentiert, indes wird nicht erklärt, wie es dazu kam, dass das israelische Oberkommando die hellseherische Fähigkeit besass, um mit Sicherheit zu wissen, dass die syrische Armee nicht wirklich an den Geschehnissen teilnehmen würde. Die syrische Front wurde, abgesehen von eher symbolischen israelischen Truppen, praktisch ohne nennenswerte Abwehr exponiert. Hätte die syrische Armee angegriffen, so wäre die israelische Lage plötzlich äusserst prekär geworden. Kann es sein, dass die israelische Führung ein solch hohes Risiko auf sich nahm?
Es darf nicht vergessen werden, dass die Krise, die zum Krieg führte, wegen einer Spannung zwischen Israel und Syrien ausbrach. Der sowjetische Geheimdienst bekam eine falsche Information, nämlich, dass die israelische Armee angeblich Truppen an der syrischen Grenze konzentriere und vermeintlich einen Angriff plane. Um diese irrtümlich angenommene Gefahr abzuwenden und den Druck auf Syrien zu reduzieren, beschloss der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser zu Hilfe zu eilen, vertrieb deshalb die UNO-Truppen von der Halbinsel Sinai und stationierte seine Truppen dort. Dieser klare Verstoss gegen das Abkommen von 1957 benutzte die israelische Militärführung als Ausrede für einen Krieg, dies, obwohl – oder besser gesagt gerade weil – sie Bescheid wusste, wie desolat der Zustand der ägyptischen Armee war und dass diese Israel nicht gefährde: Also dass die scharfe verbale Drohgebärde Nassers absolut keine Deckung und die diplomatischen Bemühungen, die Krise zu entschärfen, eine sehr gute Chance hatten.
Es stellen sich die Fragen,
1. wieso nur Jordanien zu Hilfe kam und ausgerechnet Syrien praktisch neutral
blieb, als Ägypten am 5. Juni durch den israelischen Angriff in eine bedrohliche
Lage geriet, und
2. wie die israelischen Befehlshaber davon erfuhren, dass die syrische Armee
nicht in die Offensive gehen und das exponierte Nordisrael nicht attackieren
würde.
Auf diese Fragen wussten mir vor einiger Zeit weder der hohe Militärnachrichtendienstler, General a.D. Shlomo Gazit, noch mein Divisonär, General a.D. Elad Peled, Auskunft zu geben.
Sie hatten auch keine Antworten auf nicht
weniger brisante Fragen zu den folgenden Sachverhalten: General Peled erzählte sowohl
mir, als auch in einer Sendung des israelischen Staatsradios, dass der damalige
Verteidigungsminister Moshe Dayan die Golanhöhen zuerst nicht erobern wollte,
da er mit einem zu grossen Widerstand gerechnet habe. Am 8. Juni gegen
Mitternacht, nachdem die Westbank und Sinai ganz von Israel besetzt worden waren,
habe Peled einen Anruf des Oberkommandos
erhalten. Man sagte ihm, alles sei ruhig und er könne schlafen gehen. Gegen fünf
Uhr in der Früh, so Peled, habe es aber plötzlich geheissen, er solle die
Division an die syrische Grenze verlegen, da doch ein Angriff stattfände. Peled
dazu: «Dayan erfuhr von einem syrischen Befehl, alle Truppen von der Front
zurückzuziehen. Und deshalb beschloss Dayan eigenmächtig, die Golanhöhen zu
erobern.»
Tatsächlich waren in der syrischen Befestigungsanlage oberhalb von uns keine gegnerischen Soldaten zu bemerken, als wir am 9. Juni über den Kibbutz Gonen im zentralen Abschnitt die Golanhöhen auf einem Ziegenpfad zu Fuss erklommen. Hätte uns auch nur ein einziger Syrer mit Steinen beworfen, wären wir nicht hinauf gelangt. Es versteht sich, dass, obwohl gegen zehn Uhr morgens unsere Kolonne von weitem ja gut zu sehen war, auf uns kein Schuss abgegeben wurde. Und als wir kampflos die syrische Position "eroberten", waren dort keine Leichen zu finden.
General Peled bestätigte meine persönliche Erinnerung und das, was ich auch in der Literatur lesen konnte, nämlich, dass mit Ausnahme einzelner Orte auf den Golanhöhen, es praktisch keine syrische Gegenwehr gab. Dort, wo die Syrer Widerstand leisteten, waren unsere Truppen mit grossen Schwierigkeiten konfrontiert.
Tatsächlich waren in der syrischen Befestigungsanlage oberhalb von uns keine gegnerischen Soldaten zu bemerken, als wir am 9. Juni über den Kibbutz Gonen im zentralen Abschnitt die Golanhöhen auf einem Ziegenpfad zu Fuss erklommen. Hätte uns auch nur ein einziger Syrer mit Steinen beworfen, wären wir nicht hinauf gelangt. Es versteht sich, dass, obwohl gegen zehn Uhr morgens unsere Kolonne von weitem ja gut zu sehen war, auf uns kein Schuss abgegeben wurde. Und als wir kampflos die syrische Position "eroberten", waren dort keine Leichen zu finden.
General Peled bestätigte meine persönliche Erinnerung und das, was ich auch in der Literatur lesen konnte, nämlich, dass mit Ausnahme einzelner Orte auf den Golanhöhen, es praktisch keine syrische Gegenwehr gab. Dort, wo die Syrer Widerstand leisteten, waren unsere Truppen mit grossen Schwierigkeiten konfrontiert.
Insofern stellen sich ähnliche Fragen wie
oben:
1. Warum zog sich die syrische Armee schon so früh kampflos zurück und
2. wie konnte dies Dayan wissen?
Auf diese Fragen konnten oder wollten die zwei sehr gut informierten israelischen Generäle, wie erwähnt, nicht antworten. In syrischen Kreisen kursieren zwar seit langem Gerüchte über einen Rückzugsbefehl. Dieser soll aber erst am nächsten Tag, also am 10. Juni ausgesprochen worden sein, als wir schon auf den Golanhöhen waren.
Die Möglichkeit, dass Dayan durch Abzapfen
des syrischen Kommunikationssystems über deren Pläne erfuhr, kann man praktisch
ausschliessen, da eine Schilderung einer solchen nachrichtendienstlichen
Operation zu diesem Zeitpunkt (Es ist bekannt, dass ein früherer Versuch der
Israelis scheiterte) in
der Literatur nicht erwähnt wird. Eine solche Aktion negiert auch der damalige
Chef der Forschungsabteilung des Militärnachrichtendienstes, Shlomo Gazit.
Es bleiben ohnehin die Fragen offen,
wie es dazu kam, dass die syrische Armee nicht Ägypten bzw. Jordanien zu Hilfe kam
und sich dazu auch noch frühzeitig praktisch widerstandslos und ziemlich
chaotisch zurückzog.
Hafez Assad, Bashars Vater, war damals
"nur" Verteidigungsminister, aber er hatte alle Fäden in der Hand und
galt als der tatsächliche Herrscher Syriens. Es ist völlig ausgeschlossen, dass
er diese wichtige Entscheidung nicht traf bzw. bewilligte. Hinzu kommt, dass man
nicht ausschliessen kann, dass er einen direkten Draht zu Dayan hatte und beschloss,
alles zu tun, um seine Armee weitgehend zu schonen, nachdem bereits am ersten
Kriegstag sein persönlicher Stolz, die syrische Luftwaffe, durch die Israelis völlig
zerstört wurde.
Also ist es durchaus denkbar, dass Assad bereit war, die
Golanhöhen zu opfern, um seine Machtposition, die auf einer intakten Armee beruhte, zu retten, und dass er
entsprechend Dayan zweimal informiert und mit ihm auch eine Abmachung getroffen
haben könnte, welche auch die Eroberung des Sinai und der West Bank ermöglichte
oder zumindest erleichterte.
Die israelische Geschichtsschreibung hat diese eigentlich
unvermeidlichen und zwingenden Fragen und Sachverhalte bislang nicht behandelt.
Offensichtlich, weil u.a. dadurch die Gefahr besteht, dass die Leistungen der
eigenen Armee –richtigerweise! – entmythologisiert und geschmälert sowie auch
spezielle Beziehungen zu Assad offengelegt werden könnten.
Diese berechtigte und
begründete Theorie bzw. offenen Fragen lasten eindeutig auch auf dem heutigen Assad-Regime
und erschweren es erheblich, in diesem eine grosse anti-imperialistische
Tradition zu erkennen...
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S.a.: Eine Exekution, die mich quält
Neue Luzerner Zeitung, 6. Juni
2001
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