In einer Gesellschaft,
in der Selbst- und
Fremdverstümmelung so gross geschrieben
wird (Piercings, Tätowierungen,
"Schönheits"-Operationen oder die modische – durchaus mit
Mikroverletzungen verbundene – kompletteEpilation der Schamhaare, die wiederum, oh Schreck, nach einer „Korrektur“
der inneren Schamlippen rufen könnte, da diese in der kahlgeschlagenen Umgebung
nun besser zu sehen sind), ist es reichlich scheinheilig, ausgerechnet gegen eine Praxis zu plädieren, welche
nur im Promillebereich schädlich sein könnte, und welcher – im Gegenteil – sogar
gesundheitliche Vorteile zugesprochen
werden. Nur sehr grosse Unkenntnis und vulgäre
antireligiöse bzw. rassistische Vorurteile können aus
einer solch kleinen Mücke einen derart riesigen und bösen Elefanten machen.
Die jüngsten
Entscheidungen von
Schweizer Spitälern, die Rechtslage hierzulande zu prüfen bzw. gar (wie im
Kinderspital Zürich) ein Moratorium einzuschalten,
ist sehr befremdend, zumal gerade letztes Jahr das Parlament genau über diese
Frage beriet und nach langen Überlegungen und Prüfungen beschloss, dass die Beschneidung von Knaben deren
Sexualität nicht beeinträchtige und keine
Verstümmelung im Sinne körperlicher Verletzung darstelle. Das damals
verabschiedete Gesetz nur gegen Mädchen-Beschneidung trat just am 1. Juli d.J.
in Kraft. Entsprechend ist auch keine
juristische Abklärung notwendig, es sei denn, dass es Personen gibt, die – vor lauter deutschen Ärzten in Schweizer
Spitälern – der Meinung sind, die zweifelhafte
und sehr umstrittene Entscheidung eines Kölner Gerichts müsse auch in der Schweiz Gültigkeit haben!
Ich entstamme einer jüdischen Familie, und schon meine
Grosseltern hatten mit Religion nichts am Hut. An Pessach beispielsweise ass man
bei ihnen "grobe Matze",
wie sie das während diesen Festtagen verbotene gesäuerte (normale) Brot spasseshalber
nannten. Trotzdem war es eine Selbstverständlichkeit, dass alle Knaben in
unserer Familie beschnitten werden. In der Primarschule oder im Kindergarten in
Israel gab es keine unbeschnittenen Buben, und hätte es solche gegeben, wäre dies
für sie bestimmt nicht besonders lustig gewesen.
Ich kenne die Geschichte eines Mannes in der Schweiz, dessen säkulare jüdische Mutter 1940 ihn nicht beschneiden lassen wollte. Von der nicht-jüdischen Gesellschaft wurde er aber selbstverständlich trotzdem als Jude betrachtet. Wie er indes zur sozialistischen und säkularen zionistischen Jugendbewegung (eine Art Pfadfinder) wollte, entstanden Probleme auf dem Hintergrund, dass er nicht beschnitten war.
Die Knaben-Beschneidung hat entsprechend bei Juden nicht nur eine religiöse, sondern auch eine starke soziale Bedeutung, die nicht zwingend abnimmt, wenn man keine Beziehung zur Religion hat. Die Zirkumzision spielt also bereits im Kindesalter eine wichtige soziale Rolle und kann entsprechend nicht einfach bis zum Erreichen der Volljährigkeit verschoben werden, wie dies die Befürworter eines Verbots verlangen.
Die Glaubens- bzw. Religionsfreiheit, die ein demokratisches Grundprinzip bildet, ist selbstverständlich nicht uneingeschränkt, sondern hört dort auf, wo sie andere Grundprinzipien schwer verletzt. So finde ich, dass das jüdische Schächten in der jetzigen Form in den meisten Fällen eine grobe Tierquälerei darstellt und entsprechend zu verbieten ist, und zwar nicht nur in der Schweiz. Wie der ehemalige Präsident der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich, Sigi Feigel, bin auch ich der Meinung, dass eine mutige, vernünftige und längst fällige rabbinische Entscheidung Not tut, durch vorherige Betäubung der zu schächtenden Tiere die Quälerei zu stoppen, und dies, ohne den religiösen Grundgedanken zu verletzen. Denn die Überlegung, keine kranken Tiere zu schlachten, ist nach wie vor richtig, nur ist heute ein betäubtes Tier nicht automatisch ungesund, und es gibt viele Möglichkeiten, dessen Gesundheitszustand zu prüfen.
Ich kenne die Geschichte eines Mannes in der Schweiz, dessen säkulare jüdische Mutter 1940 ihn nicht beschneiden lassen wollte. Von der nicht-jüdischen Gesellschaft wurde er aber selbstverständlich trotzdem als Jude betrachtet. Wie er indes zur sozialistischen und säkularen zionistischen Jugendbewegung (eine Art Pfadfinder) wollte, entstanden Probleme auf dem Hintergrund, dass er nicht beschnitten war.
Die Knaben-Beschneidung hat entsprechend bei Juden nicht nur eine religiöse, sondern auch eine starke soziale Bedeutung, die nicht zwingend abnimmt, wenn man keine Beziehung zur Religion hat. Die Zirkumzision spielt also bereits im Kindesalter eine wichtige soziale Rolle und kann entsprechend nicht einfach bis zum Erreichen der Volljährigkeit verschoben werden, wie dies die Befürworter eines Verbots verlangen.
Die Glaubens- bzw. Religionsfreiheit, die ein demokratisches Grundprinzip bildet, ist selbstverständlich nicht uneingeschränkt, sondern hört dort auf, wo sie andere Grundprinzipien schwer verletzt. So finde ich, dass das jüdische Schächten in der jetzigen Form in den meisten Fällen eine grobe Tierquälerei darstellt und entsprechend zu verbieten ist, und zwar nicht nur in der Schweiz. Wie der ehemalige Präsident der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich, Sigi Feigel, bin auch ich der Meinung, dass eine mutige, vernünftige und längst fällige rabbinische Entscheidung Not tut, durch vorherige Betäubung der zu schächtenden Tiere die Quälerei zu stoppen, und dies, ohne den religiösen Grundgedanken zu verletzen. Denn die Überlegung, keine kranken Tiere zu schlachten, ist nach wie vor richtig, nur ist heute ein betäubtes Tier nicht automatisch ungesund, und es gibt viele Möglichkeiten, dessen Gesundheitszustand zu prüfen.
Prallen beim Schächten tatsächlich zwei Grundprinzipien
aufeinander – Religionsfreiheit versus Tierquälereiverbot –, müssen die Gegner
der Knabenbeschneidung erst stichhaltige Beweise für die „Verletzung der Rechte“
eines Kindes erbringen. Eine solche
konnte das Schweizer Parlament zu Recht nicht finden. Unter den zahlreichen
mir bekannten beschnittenen Männern gibt es keinen einzigen, welcher die
Beschneidung als Verstümmelung bezeichnen würde. Geschmäcker sind verschieden, trotzdem
sind mir auch keine Frauen, auch nicht-jüdische, welche die beschnittenen
Penisse als verstümmelt ansehen, bekannt, eher das Gegenteil ist der Fall.
An meine eigene Beschneidung habe ich klar keine Erinnerung, und traumatisiert wegen dieses sehr winzigen Eingriffs bin ich bestimmt nicht. Bei Beschneidungen, welchen ich beiwohnte, weinten die Babys nur ganz kurz.
An meine eigene Beschneidung habe ich klar keine Erinnerung, und traumatisiert wegen dieses sehr winzigen Eingriffs bin ich bestimmt nicht. Bei Beschneidungen, welchen ich beiwohnte, weinten die Babys nur ganz kurz.
Die vorgeschobene vermeintliche
Sorge um die Rechte der Kinder in diesem Zusammenhang vermag in den meisten
Fällen, wenn man die Voten der erstaunlich vielen Gegner der
Knaben-Beschneidung betrachtet, die rassistischen
bzw. primitiven antireligiösen
Vorurteile oft nicht zu verdecken/verstecken. Ein Grundtenor, welcher nicht
immer getarnt ist, lautet: Knaben-Beschneidung gehöre angeblich nicht zur
westlichen Kultur und sei deshalb abzulehnen. Wem dies nicht passe, solle
bitteschön „nach Hause“ gehen...
Alle Eltern treffen viel wichtigere Entscheidungen mit grösserer Tragweite, ohne ihre Kinder zu fragen. Dies beginnt schon bei der Verhütung oder deren Zeugung und setzt sich fort mit der Erziehung, dem Impfen usw. Die Knabenbeschneidung gehört eindeutig nicht in diese Kategorie. Bei der wirklichen Selbst- und Fremdverstümmlung ist es in der Regel den auch volljährigen Personen, die über den eigenen Körper entscheiden, nicht bewusst, welche Risiken eine Deformierung mit sich bringen kann.
Alle Eltern treffen viel wichtigere Entscheidungen mit grösserer Tragweite, ohne ihre Kinder zu fragen. Dies beginnt schon bei der Verhütung oder deren Zeugung und setzt sich fort mit der Erziehung, dem Impfen usw. Die Knabenbeschneidung gehört eindeutig nicht in diese Kategorie. Bei der wirklichen Selbst- und Fremdverstümmlung ist es in der Regel den auch volljährigen Personen, die über den eigenen Körper entscheiden, nicht bewusst, welche Risiken eine Deformierung mit sich bringen kann.
Ein einziger Vorteil hat die jetzige Debatte: Die sonst eher
verfeindeten Juden und Muslime sind sich mehrheitlich einig und bilden eine
gemeinsame Front gegen Rassismus und Vorurteile.
Die Welt ist doch aber mit viel gravierenderen Problemen
konfrontiert, und die Bagatelle bzw. Ersatzdiskussion um die Knaben-Beschneidung darf nicht von diesen
ablenken und unsere Zeit und Energie verschwenden!
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Hier ein Link zu meinem Bericht darüber in Hebräisch im israelischen Staatsradio ‚The voice
of Israel‘ (Text)
You call it Knabenbeschneidung, I call it male genital mutilation.
ReplyDeleteEvidently for you being anti-religious is the same as being a racist. For me being anti-religious is calling into question outdated rituals.
Werden Piercings, Tatoos, Epilationen etc. pp. an unmündigen Kindern vorgenommen ? Nein. Deswegen hinkt ihr Vergleich gewaltig. Niemand hat etwas gegen die Beschneidung per se. Wenn ein Junge sich über die Konsequenzen des Eingriffs im Klaren ist, dann soll er es machen lassen. Aber die Eltern geht es nichts an, wie der Penis ihres Sohnes auszusehen hat, das ist einzig und allein seine Entscheidung.
ReplyDeleteWildniskenner und Survival-Experte Rüdiger Nehberg kämpft gegen weibliche Genitalverstümmelung (FGM). Aber weil es auch männliche Genitalien gibt und im Deutschen Ethikrat am 23. August 2012 die rituelle (medizinisch unbegründete) Jungenbeschneidung debattiert wurde, sollten Jungenarbeiter und Pfadfinder sich, bei allerm Respekt vor Traditionen und Religionen, zur grundsätzlich schützenswerten körperlichen Unversehrtheit jedes Kindes bekennen, also von Mädchen und Jungen.
ReplyDeleteLausanne (Schweiz) 1996. In ihrem Offenen Brief (Open Letter to Fourth International Symposium on Sexual Mutilations) kritisierte die britisch-jüdische Ärztin und Psychotherapeutin Jenny Goodman rituelle Vorhautbeschneidung kleiner Jungen so:
Ich bin zuversichtlich, dass mein Volk so viele lebensbejahende, lebensfreudige und erkenntnisbringende Traditionen hat, dass unsere Identität und kulturelle Selbstachtung ohne Probleme überleben wird, wenn wir über die Beschneidung hinauswachsen, die ein grausames Relikt ist, das ich immer als eine Abweichung vom Herzen meiner Religion empfunden habe.
I am confident that my people have such an abundance of life-enhancing, life-affirming and mind-opening traditions, that our identity and sense of cultural self-heed will happily survive our outgrowing of circumcision, a cruel relic which has always felt to me like an aberration at the heart of my religion.
http://www.cirp.org/pages/cultural/goodman.html
Auch die Ex-Muslime argumentieren überzeugend:
In diesen Tagen polarisiert die oft bagatellisierte Frage der Beschneidung von Jungen die deutsche Gesellschaft. Während sich manche hinter der Religionsfreiheit oder der Multikulturalität verstecken und die blutige Tradition verteidigen oder versuchen den Gegner als Rassisten darzustellen, betonen wir die Kinderrechte, die auch von religiösen Organisationen nicht eingeschränkt werden dürfen. Körperverletzung ist kein schützenswertes religiöses Ritual.
Einige von uns, die aus einem so genannten islamischen Land hierher nach Europa gekommen sind, haben Erinnerungen daran, wie kleine Kinder unter der Beschneidung gelitten haben. Das ist ein religiös begründeter Angriff auf den wehrlosen Kinderkörper, der weltweit Tag für Tag Opfer fordert. Die Jungenbeschneidung ist keinesfalls risikolos, sondern kann schwere Komplikationen nach sich ziehen, wie es im Kölner Fall geschehen ist.
http://eifelginster.wordpress.com/2012/07/16/296/