Tuesday, January 24, 2012

Bravo Weltwoche!


Weite Teile der Schweizer Medien reagieren sehr peinlich auf die wichtige Enthüllung der Weltwoche zum Fall Hildebrand. Ich bin absolut kein Fan dieses Wochenmagazins, ganz im Gegenteil, trotzdem ist die journalistische Leistung in dieser Affäre lobend anzuerkennen. Als langjähriger Recherchierjournalist kann ich nur sagen: Chapeau, Weltwoche!

D.h. aber nicht, dass Urs-Paul Engeler, Roger Köppel & Co. fehlerfrei agierten. Die journalistischen Mängel sind indes eher vernachlässigbar. Plötzlich behaupten verlogene vermeintliche Experten in Sachen Recherchierjournalismus, dass Engeler für seine Enthüllung mindestens zwei Quellen hätte haben müssen. Diese Kritiker benehmen sich, wie wenn es um einen Flop ginge und nicht um eine Veröffentlichung, die sich grundsätzlich als richtig erwies. Um eine Erfolgsgeschichte also, welche die Neider nicht gut verdauen können.
Sicherlich ist es für jede Recherche besser, wenn man mehrere Quellen hat. Und selten bis nie kann ein einziges Dokument ein Gesamtbild vermitteln. In diesem Fall aber bin ich mir erstens nicht so ganz sicher, ob Engeler nicht mit anderen Informanten gesprochen hat. Er kann - aus verständlichen Gründen - einfach keine Auskunft darüber geben. Zweitens ist es wirklich nicht so, dass ein Recherchierjournalist immer unbedingt mindestens zwei voneinander unabhängige  Quellen braucht.

Ein Beispiel: Anhand von Zürcher Gerichtsunterlagen, die mir zugespielt wurden, konnte ich 2003 die Identität von sehr prominenten australischen  Persönlichkeiten aufdecken, die offensichtlich in einen Versicherungsbetrug, Mord und weitere Verbrechen verwickelt waren. Ich kannte die Quelle der Unterlagen und musste keinen Aufwand investieren, um deren Authentizität zu prüfen. Das Hauptproblem war, eine renommierte australische Zeitung von der Echtheit der Papiere zu überzeugen, und dies, ohne meine Quelle/n für diese und andere Akten offenzulegen. Es gelang mir, ein Zweierteam der Australian Financial Review, welches extra nach Zürich kam, damit zu überzeugen, ohne dabei einen oder mehrere meiner Informanten preisgeben zu müssen. Es war für die beiden Redakteure auch kein Thema, ob ich die brisanten Infos nun aus einer oder weiteren Quellen hatte. Das Zeitungsteam und ich wurden für unsere ansonsten aufwendigen Recherchen 2004 mit dem wichtigsten australischen Journalismus-Preis "Golden Walkley Award for Excellent Journalism" ausgezeichnet, und der von mir aufgedeckte Skandal beschäftigt bis heute die dortigen Medien.

Übrigens: Niemand forderte eine zweite Quelle, um die Echtheit der SBG-Dokumente zu bezeugen, die der Wachmann Christoph Meili vor der Vernichtung rettete. Da sich jedoch die meisten Medien, involvierten Behörden und Organisationen auf die eher dünne, dafür einfache Geschichte Meilis konzentrierten, anstatt auf die recht komplizierten Akten, entging es praktisch allen, dass sich darunter wichtige Papiere zum bedeutsamen Fall Interhandel, also zum Auslandvermögen des deutschen Mordkonzerns IG Farben, befanden.

Konkurrierende Medien wie der Blick werfen der Weltwoche in der Affäre Hildebrand auch den Gebrauch von gefälschten Dokumenten vor, nur, weil der Anwalt Hermann Lei die Ausschnitte einiger Fotos vom Bildschirm (ein Screenshot ist nicht mit der Kameraaufnahme eines Bildschirms zu verwechseln, und es ist ohnehin unmöglich, bei der Bank Sarasin Screenshots auszudrucken!) zusammensetzte und einige Stellen verdeckte. Eine Fälschung ist etwas ganz anderes, und 'Collagen' von Dokumenten sind auch beim Blick üblich!

Heikel hingegen wäre es, wenn die Weltwoche die Affäre tatsächlich bewusst gegen den Willen des Informanten publiziert hätte. Falls dem wirklich so ist, bewegte sich die Zeitung in einer Grauzone. Manchmal aber gibt es übergeordnete Interessen, die solche Vorgänge unter dem Strich doch rechtfertigen. Ich bin der Meinung, dass dies hier der Fall war.

Was wirklich problematisch ist bei dieser Angelegenheit, ist das sich Festklammern der Weltwoche und der SVP am letzten kläglichen Rest des Mythos Bankgeheimnis (BG). Der Wirtschaftsjournalist Gian Trepp sagte mir schon vor Jahren, dass das BG eigentlich löchrig wie ein Emmentaler-Käse sei. Inzwischen kann man sagen, dass das BG mehr Löcher als Käse aufweist. Es muss unbedingt im Interesse des Finanzplatzes Schweiz sein, diesen schädlichen Mythos endlich aufzugeben und sich auf funktionierende saubere Dienstleistungen zu konzentrieren, die vom Überbleibsel des guten Schweizer Rufs profitieren werden!
 
 


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