Thursday, April 30, 2009

Kontext-Sendung: Wie stark darf man Israel kritisieren?


Schweizer Radio DRS Sendung von 24. April 2009 "Wie stark darf man Israel kritisieren?" lässt an Ausgewogenheit viel zu wünschen übrig. Wenn darin zu Recht festgestellt wird, dass mindestens die Hälfte der Weltbevölkerung den Inhalt von Ahmedineschads Rede in Genf unterstütze, dann darf von SR DRS auch erwartet werden, dass die Stimme so vieler Menschen in irgendeiner Form vertreten ist.

Leider entführte der rassistische iranische Präsident sehr wichtige Inhalte und missbrauchte sie für seine Zwecke. Nichtsdestotrotz müsste man das Thema ‚Existenzrecht Israels' kritisch anpacken. Dies sage ich als israelischer Antizionist, der in Israel geboren und als Frontsoldat an drei Kriegen teilnahm.

Es gibt eine wachsende Anzahl von Juden – darunter auch Bürger Israels –, die der Meinung sind, dass die Gründung des Staates ein Fehler, wenn nicht sogar ein Verbrechen, war. Man realisiert immer mehr, dass es einen Widerspruch zwischen Israel als demokratischem Land und Israel als jüdischem Staat gibt. In einem jüdischen Staat sind per Definition alle nicht-Juden nicht gleichberechtigt.

Selbstverständlich ist der Präsident einer islamischen Republik mit seiner unsauberen Weste bezüglich Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen nicht die richtige Person, Israel wegen Rassismus zu kritisieren, was aber nicht bedeutet, dass die Kritik als solche nicht berechtigt ist.

Bei den Auseinandersetzungen um die Definition der Judeophobie (fälschlicher- und rassistischerweise Antisemitismus genannt) gibt es Anstrengungen, Antizionismus unter diesem Begriff einzuordnen. Diese Bemühungen sind aber umstritten und entbehren nicht selten jeglicher faktischen Basis.

Es ist zu bemerken, dass es beim Antizionismus nicht um eine einheitliche Position gegenüber dem Staat Israel geht, sondern um ein Spektrum von Einstellungen zwischen der totalen Ablehnung jüdischer Präsenz westlich des Jordanflusses und der Ablehnung des Staates Israel als ‚Staat der Juden', der nicht wie normale demokratische Länder ein Staat aller seiner Bürger ist. Entsprechend wird das Konzept des Judenstaates als grundsätzlich rassistisch betrachtet.

Es gibt in der Tat Menschen, die ihren Judenhass und Vorurteile gegenüber Juden mit einer sehr ablehnenden Haltung gegenüber Israel verbinden. Eine automatische Gleichsetzung von Antizionismus mit Judeophobie ist jedoch unhaltbar (s. Text meines Vortrages in Karlsruhe 2003: http://www.cl-netz.de/read.php?id=10739 )

Noch eine kurze Bemerkungen zum Inhalt der Sendung:

  1. Wenn Kollege Andreas Zumach findet, dass man nur die israelische Regierung kritisieren dürfe, dann demonstriert er eine seltsame Auffassung. Wie schon oben ausgeführt ist es nicht nur so, dass Israel gegen die Interessen der meisten Juden verstösst (geschweige denn gegen jene der Palästinenser), sondern dass für diese israelische Politik nicht nur die Regierung Verantwortung trägt, sondern auch das Parlament, das Justizsystem, die Armeeführung und die Gesellschaft im Allgemeinen – einfach in unterschiedlicher Weise. Hinzu kommt die grundsätzliche Problematik eines Judenstaates, wie ich sie bereits weiter oben beschreibe.
  2. Es ist offensichtlich, dass die Tabuisierung eines Themas nie positiv betrachtet werden kann. Wenn Prof. Georg Kreis gerade für eine Tabuisierung im Zusammenhang mit Israel und "jüdischen" Themen und eigentlich für eine "Sonderbehandlung" von Juden plädiert, so ist dies eine klare rassistische Position. Wir Juden haben genug Erfahrung mit der "Sonderbehandlung" (als solche haben ja die Nazis die industrielle Judenvernichtung bezeichnet).
  3. Es erstaunte mich, dass Kollege Yves Kugelmann nicht vermochte, eine kurze brauchbare Definition für Judeophobie zu formulieren. Eine witzige jüdische Begriffserklärung ist folgende: Judeophob ist jemand, der Juden mehr hasst, als nötig wäre". – Aber Spass beiseite. Es ist aufwändig, alle antijüdischen Ausdrucksformen zu beschreiben. Hier eine ganz einfache und allgemeine Definition:
    Judeophobie manifestiert sich durch Hass und/oder negative Vorurteile gegen Juden, weil Sie Juden sind.
    Die Kehrseite der gleichen Medaille heisst Judeophilie und ist ebenso rassistisch. Sie umfasst die ‚Liebe' zu bzw. die positiven Vorurteile gegenüber Juden. Oft ist der nahtlose Übergang vom einen Pol zum andern nicht zu übersehen.

Hier können Sie Bilder einer Demonstration in Jerusalem vom 29. April 2009, dem Unabhängigkeitstag Israels, sehen, an welcher ultra-orthodoxe Juden gegen den "jüdischen" Staat protestierten: Einer ihrer Slogans lautet: "We mourn the 61 Years Zionism – Holocaust of The Jewish Nation." Es gab Manifestanten, die sogar ‚in Sack (und Asche)' gingen. Einen solchen tragen manche Juden nur an einer aussergewöhnlichen Trauerzeremonie.

http://2424.co.il/read_gallery.php?n_id=1116&cat_id=3&tmp=748

http://2424.co.il/images_big/w_v/thumb_69626299e529ab6b3b3a9d0cca22e2a5_w746.jpg).

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