Sonntag (MittellandZeitung) 15.3.2009
(Volle Version unten)
Ivo Hoppler* über die Hilfe der Schweiz bei Steuerhinterziehung durch Ausländer
Herr Hoppler, wie beurteilen Sie den Entscheid, Rechts- und Amtshilfe auch bei Steuerhinterziehung zu gewähren, aber keine «Fishing Expedition» zu` unterstützen?
Ivo Hoppler: Das ist eine vernünftige Lösung. Wichtig scheint mir, dass es zu keinem automatischen Datenabgleich kommt. Es gilt aber auch, Ubergangslösungen anzustreben, zum Beispiel eine Amnestie für potenzielle Steuerhinterzieher mit Schweizer Konten in ihren jeweiligen Ländern zu erreichen.
Was passiert denn nun, wenn die deutschen Behörden bei Herrn Hansen in Hamburg bei einer Hausdurchsuchung einen Kontoauszug einer Schweizer Bank finden?
Dann muss die Bank Auskunft über das genannte Konto geben, vielleicht sogar über alle Konten des Herrn Hansen.
In der Schweiz lagern Milliarden nicht ie- versteuerter Gelder aus der EU. Zudem Er wollen die Amerikaner die Herausgabe 7a- von 52 000 Kundendaten. Was sollen n- die Betroffenen tun?
Als Amerikaner würde ich mir einen Steueranwalt nehmen und die Frage einer Selbstanzeige prüfen. Dies vor dem Hintergrund, dass die Schweiz unter Druck bereits 300 Daten herausgegeben hat. Als EU Bürger würde ich derer zeit abwarten, wie die Verhandlungen. m über die Doppelbesteuerungsabkommen laufen, und auch darauf hoffen, dass die Schweiz mit einigen Ländern eine Steueramnestie aushandeln kann. Auch hier ist je nach konkretem Fall eine Selbstanzeige zu prüfen.
Wie hätte das Amtshilfeverfahren in Sachen UBS besser laufen können?
Ich kann mir vorstellen, dass es bei solchen Fällen eine Art Fallmanager geben muss, um den Prozess zu beschleunigen. Es brauchte ein Projektmanagement mit klarer Zeitrahmensetzung.
Um wie viel hätte sich das Verfahren denn beschleunigen lassen?
Erfahrungsgemäss lassen sich mittels idealer Koordination der Abläufe die Verfahren um 30 bis 50 Prozent kürzen. Ich bin der Ansicht, dass sich auch die grossen Wirtschaftsfälle wie zum Beispiel Swissair oder Erb beschleunigen liessen. Hier sollte es möglich sein, mittels Projektmanagement und unter Einbezug der Privatwirtschaft (Anwaltskanzleien usw.) in etwa drei Jahren abzuschliessen. Eine möglichst zeitnahe, an die Ereignisse folgende Untersuchung und Klärung der ermittelten Sachverhalte vor Gericht ist für eine intakte Rechtshygiene eines Landes äusserst wichtig.
INTERVIEW: SHRAGA ELAM/ARTHUR RUTISHAUSER
* Ivo Hoppler war bis 2007 Zürcher Staatsanwalt, spezialisiert auf grosse und komplexe Geldwäscherei- und Rechtshilfeverfahren. Seit 2008 ist er Leiter der Forensic & Dispute Services der Deloitte AG und Lehrbeauftragter an der Uni St. Gallen.
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Volle Version:
"Um den ausländischen Druck auf die Schweiz zu reduzieren, müssen die Amts- und Rechtshilfeverfahren beschleunigt werden", fordert der erfahrene Jurist Ivo Hoppler*.
Herr Hoppler, wie beurteilen Sie den Entscheid, Rechts- und Amtshilfe auch bei Steuerhinterziehung zu gewähren, aber keine «Fishing Expedition» zu` unterstützen?
Ivo Hoppler: Das ist eine vernünftige Lösung. Wichtig scheint mir, dass es zu keinem automatischen Datenabgleich kommt. Es gilt aber auch, Ubergangslösungen anzustreben, zum Beispiel eine Amnestie für potenzielle Steuerhinterzieher mit Schweizer Konten in ihren jeweiligen Ländern zu erreichen.
Was passiert denn nun, wenn die deutschen Behörden bei Herrn Hansen in Hamburg bei einer Hausdurchsuchung einen Kontoauszug einer Schweizer Bank finden?
Dann muss die Bank Auskunft über das genannte Konto geben, vielleicht sogar über alle Konten des Herrn Hansen.
Vor einiger Zeit beschrieb Der Spiegel, wie der Filmproduzent Atze Brauner ein grosses Darlehen von einer Schweizer Bank bekommen habe obwohl er als Garantie praktisch wertlose Immobilien anbot. Für Kenner war klar, dass er eigentlich kein Darlehen erhielt, sondern so sein Schwarzgeld aus der Schweiz zurückholte. Dieser Geldwäsche-Mechanismus ist bekannt. Würde die Schweiz in einem solchen Fall Auskunft über ein allfälliges Konto erteilen?
Nach der neuen Regelung ganz klar ja. Da der Fall nach einem Steuerbetrug mit Beihilfe der Bank aussieht, wäre es denkbar, dass vielleicht auch früher Hilfe geleistet worden wäre. Ein Medienbericht kann demnach als ausreichender Hinweis gelten, damit ausländische Steuerbehörden zu ermitteln beginnen. Aus Sicht der Schweizer Behörden dürften aber neben dem Presseartikel noch weitere Hinweise nötig sein, die auf ein Steuerdelikt schliessen lassen um einen konkreten Anfangsverdacht wirklich zu begründen.
In der Schweiz lagern Milliarden nicht versteuerter Gelder aus der EU. Zudem wollen die Amerikaner die Herausgabe von 52000 Kundendaten. Was sollen die Betroffenen tun?
Als Amerikaner würde ich mir einen Steueranwalt nehmen und die Frage einer Selbstanzeige prüfen. Dies vor dem Hintergrund dass die Schweiz unter Druck bereits 300 Daten herausgegeben hat. Als EU Bürger würde ich derzeit abwarten wie die Verhandlungen der Doppelbesteuerungsabkommen laufen und auch darauf hoffen, dass evt.die Schweiz mit einigen Ländern als Flankierende Massnahme eine Steueramnestie aushandeln kann.Auch hier ist je nach konkretem Fall eine Selbstanzeige zu prüfen
Wie hätte das Amtshilfeverfahren in Sachen UBS besser laufen können?
Ich könnte mir vorstellen, dass bei solch wichtigen Fällen es eine Art Fallmanager geben muss, um den Prozess zu beschleunigen. Es bräuchte ein Projektmanagement mit klarer Zeitrahmensetzung.
Funktioniert das besser in der Privatwirtschaft?
Generell glaube ich ja.Um einen Fall zu bearbeiten, kann ich sofort ein Team bilden. Es ist auch einfacher, Prioritäten zu setzen. Die Untersuchungen werden nicht einfach liegen gelassen, weil dies andere Tagesgeschäfte fordern. Das würde kein Kunde tolerieren. Mir ist erzählt worden, dass das im Fall der UBS-Amtshilfe passierte und das Zusammenspiel zwischen den jeweiligen Behörden und Institutionen noch entwicklungsfähiger wäre. . Wenn man vom Anfang an einen klaren Ansprechpartner gehabt und den Amerikanern einen Zeitrahmen vermittelt hätte, dann wäre es meiner Meinung nach anders gelaufen. Letztendlich hatten wir in diesem Fall aber ein Spannungsfeld zwischen
Um wie viel hätte sich das Verfahren dank einem Projekmanager beschleunigen lassen?
Erfahrungsgemäss lassen sich mittels idealer Koordination der Abläufe die Verfahren um 30 bis 50 Prozent kürzen. Ich bin der Ansicht, dass sich auch die grossen Wirtschaftsfälle wie z.B. Swissair oder Erb etc, beschleunigen liessen.Hier sollte es möglich sein, mittels Projektmanagment und unter Einbezug der Privatwirtschaft (Anwaltskanzleien etc.) in etwa drei Jahren abzuschliessen. Eine möglichst zeitnahe an die Ereignisse folgende Untersuchung und Klärung der ermittelten Sachverhalte vor Gericht ist für eine intakte Rechtshygiene eines Landes äusserst wichtig. .
Niemand im In- und Ausland versteht die lange Dauer von Schweizer Verfahren mit Auslandsbezug wie z. Bsp. bei der Rechtshilfe etc.Warum passiert nichts?
Es fehlt nicht an Motivation, Integrität und Ausbildung der Mitarbeiter, aber die Strukturen in welche Potentiale eingebettet sind, sind meiner Meinung nach nicht mehr zeitgemäss.Bei kleinen Fällen funktioniert das System, nicht so bei grösseren. Denken Sie an den Fall Swissair mit 3000 Ordnern. Sie können vereinfacht ausgedrückt nicht einfach durch drei teilen und sagen: "dies ist ein Teamwork". Es fehltevon Beginn an an Erfahrung mit neuen Methoden des Projektmanagements und der Führung. Dies musste zuerst erarbeitet werden und stand nicht von Anfang an zu Verfügung. Meiner Meinung nach hätte eine Taskforce unter Einbezug auch auswärtiger Experten hier abhilfe geschaffen..
Schauen Sie, spezialisierte Unternehmen im Verbund mit Anwaltskanzleien arbeiten viel grössere Fälle (Siemens etc.) in kürzerer Zeit ab. Mein Anliegen wäre hier durch Einsatz von Kooperation, Arbeitsmethodik und Technik die Dauer einer Untersuchung zu reduzieren. , denn das Vertrauen in den Staat ist ein verderbliches Gut. Die Gesellschaft hat einen Anspruch auf zeitnahe Klärung der Vorgänge sowie die einzelnen Betroffenen auf eine schnelles und korrektes Verfahren um Ihnen und den Angehörigen eine über mehrere Jahre dauerne Untersuchungsagonie zu ersparen.
Interview: Shraga Elam/Arthur Rutishauser
* Ivo Hoppler war bis 2007 Zürcher Staatsanwalt, spezialisiert auf grosse und komplexe Geldwäscherei- und Rechtshilfeverfahren. Seit 2008 ist er Leiter der "Forensic & Dispute Services" der Deloitte AG. Er ist auch Lehrbeauftragter für "Wirtschaftskriminalistik" sowie "Corporate Governance and Managerial Finance" an der Universität St. Gallen (HSG).
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