Tuesday, July 1, 2008

Affäre bei Bank Leumi (Schweiz): Der Fall kommt vor Gericht

Fast acht Jahre nach der Aufdeckung illegaler Tätigkeiten des Zürcher Bankers Ernst Imfeld beginnt am 2. Juli der Prozess.


Eine kritische Auseinandersetzung mit der Anklageschrift erweckt den Eindruck, dass, wie schon im Fall Swissair, die Zürcher Staatsanwaltschaft auch hier in Richtung Flop steuert. Die strukturellen Probleme bei der juristischen Auseinandersetzung mit Wirtschaftskriminalität werden manifest. Der untersuchende Staatsanwalt, Nathan Landshut, produzierte nicht nur riesige Papierberge, die alle Involvierten überfordern, sondern es scheint, dass er die Prioritäten nicht richtig setzte und wichtigen Spuren nicht nachging.


Hier mein Beitrag im Tages-Anzeiger (die fette Passage am Schluss wurde aus Platzmangel nicht veröffentlicht):




Tages-Anzeiger
Wirtschaft
01. Juli 2008, 22:02 – Von Shraga Elam
Betrugsskandal bei Bank Leumi: Der Fall kommt vor Gericht
Ab Mittwoch muss sich der Zürcher Banker Ernst Imfeld wegen Betrugs und Veruntreuung vor Gericht verantworten. Es geht um einen der grössten Skandale im Schweizer Finanzwesen.
Es war einer der grössten Betrugsfälle im Schweizer Finanzsektor: Fast acht Jahre nach der Aufdeckung illegaler Tätigkeiten des Zürcher Bankers Ernst Imfeld beginnt am Mittwoch der Prozess.
Ihm werden Betrug, Veruntreuung, Urkundenfälschung und ungetreue Geschäftsbesorgung vorgeworfen. Im Zentrum steht jedoch die Frage, wie es möglich war, dass der Private Banking Manager Ernst Imfeld in der Schweizer Niederlassung der israelischen Bank Leumi Le-Israel über zehn Jahre lang unautorisiert mit Kundengeldern hantieren konnte. Der durch Imfeld verursachte Gesamtschaden beträgt gemäss der über 500 Seiten langen Anklageschrift mindestens 150 Millionen Franken.
Laut der Anklageschrift soll die Bank Leumi zu fast 90 Prozent von diesem Geld profitiert haben. Die Bereicherung der Bank entstamme aus Kommissionen auf unbewilligten Transaktionen wie Devisen- oder Aktienhandel «sowie aus eingenommenen Zinsen aus vom Angeklagten unautorisiert verursachten Kontoüberzügen und eingegangenen Darlehen».
Der «Tages-Anzeiger» hatte den Fall am 18. Januar 2001 publik gemacht. Obwohl seither viel Zeit verstrichen ist, findet man in der vom ehemaligen Staatsanwalt Nathan Landshut verfassten Anklageschrift Ungereimtheiten, die sich nicht nur auf falsche Schreibweisen oder falsche Seitennummerierung beschränken.
Imfeld ist geständig
Mit einem Freispruch ist kaum zu rechnen. Ernst Imfeld hat bereits gestanden, unautorisierte Transfers zwischen Konten getätigt zu haben. Er bestreitet jedoch, unbewilligt gehandelt und sich bereichert zu haben.
Juristen meinen, dass die Bank und nicht - wie die Staatsanwaltschaft argumentiert - die Klientel als Geschädigte anzuschauen sei. Die Kunden waren ja von der Bank entschädigt worden. Liegt die Staatsanwaltschaft falsch, so könnte das schwere Folgen im Gerichtssaal haben. Gemäss der Anklageschrift ist die Bank Leumi Hauptnutzniesserin und nicht Geschädigte der illegalen Aktivitäten Imfelds gewesen. Die Bank dementiert das jedoch.
Leumi reichte kürzlich eine Schadenersatzforderung gegen Imfeld in der Höhe von 107 Millionen Franken ein. Diese Summe «macht allein jene Schäden geltend, die sich auf die Anklageschrift abstützen, abzüglich der anteiligen Versicherungszahlungen». Aus Sicht der Bank beträgt der Gesamtschaden 229 Millionen, wovon nur 83 Millionen durch die Versicherung gedeckt worden seien. Imfeld selbst gibt an, er habe nur einen Schaden von 20 bis 40 Millionen verursacht.
Hat Leumi Anzeichen ignoriert?
Nicht im Visier der Anklage befinden sich eventuelle Mittäter bei Leumi. Dabei sind im Verlauf der Untersuchung offenbar Schilderungen aufgetaucht, die darauf hindeuten, dass es bereits früh konkrete Hinweise auf Imfelds Machenschaften gegeben haben muss. Dem Finanzinstitut seien diese Fingerzeige bekannt gewesen, dennoch seien keine Konsequenzen gezogen worden. Dem widerspricht Leumi: «Die Bank hatte keinerlei Kenntnis von Verfehlungen oder verbrecherischen Handlungen des Angeklagten. ( ) Das Management der Bank tolerierte und toleriert zu keinem Zeitpunkt Zuwiderhandlungen gegen die geltenden Bankvorschriften, Richtlinien und Gesetze.»
Imfeld war allerdings Leumis bestes Pferd im Stall. Er generierte offenbar den grössten Anteil am Umsatz und Profit der Bank. Sollte Leumi tatsächlich die grösste Nutzniesserin gewesen sein, wie der Staatsanwalt glaubt, wären Imfelds hohe Umsätze wohl ein Motiv für die Bank gewesen, bei dessen Methoden beide Augen zuzudrücken. Für diese Theorie spricht auch dieser Zwischenfall: Einmal entdeckte die interne Revision zwar verdächtige Transaktionen zwischen verschiedenen Konten. Dennoch wurden weder die betroffenen Imfeld-Kunden von der Bankspitze nach Erklärungen gefragt - das bestätigte der damalige Bankchef Israel Hayon in der Einvernahme - noch interessierten sich der Verwaltungsrat oder die externe Revision für die Buchungen.
Die Anklage ging der Frage nicht nach, warum der Chefrevisor 1996 fristlos entlassen wurde. Dies, obwohl die Möglichkeit besteht, dass dieser auf Unregelmässigkeiten gestossen war und deshalb gehen musste. Befremdend wirkt auch, dass ausgerechnet ein Mitarbeiter der externen Revisionsfirma PricewaterhouseCoopers, die bei der Kontrolle Imfelds versagt hatte, als Berater für den untersuchenden Staatsanwalt eingestellt wurde.
Vertrauensselige Kunden
Eine zentrale Schwachstelle der Anklageschrift liegt bei der Begründung für die Behauptung, Imfeld habe Berichte an die Kunden manipuliert, um seine gesetzeswidrigen Aktivitäten zu vertuschen. Gemäss den bankinternen Weisungen wäre es ihm unmöglich gewesen, zeitlich vor seinen Kunden an diese Papiere zu gelangen. Auch wurden keine Belege erbracht, dass diese Verordnungen verletzt wurden.
Ein anderer wichtiger Baustein der Anklage ist das Argument, dass die Kunden - auch die nicht jüdischen - der jüdischen Bank blind vertraut hätten, weil sie in der Bank ein Sinnbild für die Ideale sahen, die das moderne Israel vertrete. Deshalb hätten sie die Bankauszüge nicht genau überprüft. In Kreisen ehemaliger Leumi-Mitarbeitenden lacht man über diese Argumentation. Die meisten Klienten seien knallharte Geschäftsleute, die nur ganz wenigen Menschen vertrauten und selber nicht immer eine saubere Weste hätten.
Sogar der jetzige Bankchef, Amnon Seidenberg, sieht in einem Interview nicht die pro-israelische Haltung oder die vermeintliche jüdische Solidarität als grösste Anziehungskraft von Leumi Schweiz: Das Attraktive an seiner Bank sei die Mischung aus schweizerischer Mentalität und israelischem Improvisationsvermögen. Von blindem Vertrauen spricht er nicht, obwohl die Bank «sämtliche Konsequenzen aus dem Vorfall gezogen» habe und «Imfelds Taten keine Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit» hätten.



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Ein weiterer Mangel in der Arbeit der Staatsanwaltschaft: Straftaten von Imfeld-Kunden blieben ohne Konsequenzen. Beispiel dafür sind verdächtige meldepflichtige Verstösse gegen US-Bestimmungen oder, wie im Fall des australischen Brokers Rene Rivkin, wo der Verdacht der Geldwäscherei 2003 eine andere Abteilung der Staatsanwaltschaft zu einer spontanen Rechtshilfe an Australien bewog. Diese erfolgte, nachdem Unterlagen aus der Imfeld-Strafuntersuchung in der australischen Presse veröffentlicht worden waren.

*Shraga Elam, israelischer Journalist in Zürich, verfolgt den Fall Imfeld seit seiner Enthüllung im Tages-Anzeiger von 2001 und gewann in diesem Zusammenhang 2004 den australischen Golden Walkley Award for Excellent Journalism.

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